Es ist Montagmorgen, 7:45 Uhr in der Sporthalle der Berufsbildenden Schulen Winsen. Die Schüler der beiden Klassen der Berufseinstiegsschule (Klasse 1, Fachbereiche Gesundheit/ Soziales und Technik) sitzen auf Turnbänken und besprechen ihre letzte Woche mit Teyfik. Der stämmige ehemalige Häftling ist als Trainer für den Verein „Gefangene helfen Jugendlichen“ und besucht seit November im Rahmen des Projekts „Eiskalt gegen Gewalt“ einmal in der Woche die BBS in Winsen. Dabei sprechen die Schüler miteinander über die Schule und die Themen, die sie sonst so beschäftigen.
Teyfik hört zu, fragt nach: „Wie läuft es in der Schule? Wie geht es dir?“ Auch Bewegung und Spiele gehören zu dieser Schulstunde, die ganz anders verläuft als der normale Unterricht: Bälle werfen, Gespräche, Partner-Sit-Ups, besonders beliebt ist das Boxtraining. „Regeln einhalten, Grenzen achten, Empathie üben sind Dinge, die mir in der Stunde wichtig sind“, sagt Teyfik. Das Projekt erfüllt eine wichtige Präventionsarbeit: „So wie ich früher halten sich viele junge Leute für schlau. Aber auch die neuen Generationen machen die gleichen Fehler. Ich will sie wachrütteln und ihnen zeigen, wohin der Weg geht, wenn die Schule zweitrangig wird und man anfängt mit Diebstahl, Körperverletzung und Drogen.“ Er selbst habe in „Santa Fu“, der Hamburger Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, eine längere Haftstrafe verbüßt und daraufhin sein Leben geändert. Nun ist er als Trainer beim Verein angestellt, um den Schülern authentisch zu vermitteln, dass es im Leben auf andere Dinge ankommt als auf Statussymbole – erst recht, wenn diese eigentlich nur auf illegalem Weg zu erreichen sind und meistens entsprechend schnell wieder verlorengehen.
Bei den Schülerinnen und Schülern kommt das Angebot gut an: „Mal was anderes“, „…macht Spaß“, „…ist mal eine Abwechslung“ sind die Zwischenfazite der Beteiligten. „Wir lernen beim Boxen, unsere Kraft unter Kontrolle zu kriegen“, freut sich eine Schülerin über die zusätzliche Bewegungsmöglichkeit. „Die Stunden mit Teyfik sind ein ganz wichtiger Teil für die Berufsvorbereitung“, sagt Pastorin Mirjam Valerius, die das Projekt begleitet und mehr als fünf Jahre lang Religion an den BBS unterrichtet hat. „Die Schülerinnen und Schüler können bestimmte Dinge ganz anders thematisieren als im Unterricht und entdecken dadurch ihre Grenzen und ihre Möglichkeiten. Mir fällt auf, dass alle eine Verantwortung für die Gruppe spüren. In den Klassen treffen ganz unterschiedliche Biographien aufeinander, die auf Augenhöhe zusammenfinden – die Ungleichheit in der Gesellschaft findet sich auch hier wieder. Im Unterricht und im Schulalltag vermitteln wir, dass jeder und jede von uns gleich viel wert ist – das spüren alle auch in den Stunden mit Teyfik.“