In einer Gedenkfeier riefen sich die Teilnehmenden in der St. Marien-Kirche in Winsen die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns in Erinnerung, der am 9. November 1938 eine weitere Stufe der Grausamkeit erreichte. Die Namen von getöteten jüdischen Menschen aus Winsen wurden verlesen, viele von ihnen waren Söhne und Töchter der Stadt. „Wir bekennen damit für die Gegenwart: Antisemitismus hat bei uns keinen Raum“, sagte Superintendent Christian Berndt in seiner Ansprache.
Sehr bewegend erzählte Kirchenkreisvorstandsmitglied Frank Stoppel von der jüdischen Familie Stern und ihrem Bekleidungsgeschäft sowie von Sara Horwitz, die die Shoa überlebt hat, jedoch nach dem Krieg in Winsen in großer Armut lebte.
Auch musikalisch gab es besondere Elemente. Kirchenkreiskantor Reinhard Gräler spielte für jüdische Gottesdienste komponierte Orgelmusik aus dem 19. und 20. Jahrhundert von Josef Löw und Moritz Deutsch. In dieser Zeit der jüdischen Aufklärung etablierte sich die Orgel als Begleit- und Soloinstrument in liberalen jüdischen Gemeinden.
Christian Berndt äußerte seine Bestürzung darüber, dass zum 85. Jahrestag der Novemberpogrome Jüdinnen und Juden in Deutschland erneut durch antisemitisch motivierte sprachliche und reale Gewalt bedroht werden. Angelehnt an die Worte aus der Stellungnahme der Bischofskonferenz verdeutlichte er die bedrückende Aktualität des Gedenktages: „Etwas, das eigentlich selbstverständlich ist, muss neu betont werden: Jüdisches Leben muss in Deutschland unbeschwert möglich sein. Wir stehen als evangelisch-lutherischen Kirche in der Tradition Martin Luthers und sind deshalb besonders sensibel für jeden despektierlichen Umgang mit der jüdischen Religion, ihren Gläubigen, ihren heiligen Orten und ihren Symbolen. Wir sehen uns deshalb in besonderer Verantwortung, im Erinnern an die schreckliche Geschichte der Deutschen im Umgang mit Jüdinnen und Juden für ein Miteinander aller Menschen im Geist der Nächstenliebe zu werben. Wir ermutigen alle in Deutschland Lebenden, ob gläubig oder ungläubig, mitzuhelfen, das Land des einstigen Naziterrors zu einem Land des friedlichen Miteinanders und gegenseitigen Respekts zu machen und als solches zu erhalten.“