Ansprache zum Volkstrauertag von Sup. Christian Berndt

13. November 2022

Nach einem Jahr treffen wir uns wieder zur Gedenkfeier zum Volkstrauertag. Und die Welt ist eine andere, als wir sie uns vor einem Jahr erhofft haben. Nicht nur, dass die Pandemie immer noch präsent ist nach zweieinhalb Jahren. Jeden morgen beim Blick auf die Nachrichten bin ich verstört, wenn ich die Bilder vom Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sehe. 

Aufgewachsen in einem friedlichen Europa konnte ich mir nicht vorstellen, dass solch ein Kriege einmal vor unserer Haustür stattfindet. Und ich mache mir Sorgen im Hinblick auf den Winter. Was können wir tun für die Schwachen in der Gesellschaft? Wie können wir antworten auf die politischen Bewegungen, die die Verunsicherung von Menschen für sich nutzen wollen? 

Unser Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hielt in der vorletzten Woche eine Grundsatzrede. Und ich finde es gut, dass unser Bundespräsident sich so grundsätzlich geäußert hat. Ich kann es kaum ertragen, dass auch diese Rede – wie so vieles - einfach wieder zerredet wird.

Der Bundepräsident stellt fest, dass mit dem Angriffskrieg von Russland eine Epoche zuende gegangen ist. Es kämen härtere Jahre, raue Jahre auf uns zu. Die Friedensdividende sei aufgezehrt. Es beginne für Deutschland eine Epoche im Gegenwind.

Und weiter: 
Wenn wir im Gegenwind stünden, dann komme es am Ende auf etwas besonders an: Anstatt uns weiter auseinandertreiben zu lassen, müssen wir alles stärken, was uns verbindet.

Im Landkreis kommen jede Woche 90 Schutzsuchende an. Aus der Ukraine und aus aller Welt. Kommunen und Landkreis suchen händeringend Wohnraum. Die ersten Sporthallen werden nun für die Unterbringung von Schutzsuchenden umgenutzt. Es gibt Unruhe in manchen Orten, weil die Kinder weniger Sportmöglichkeiten haben.

Auch wir sprachen neulich am Mittagstisch darüber, dass nicht mehr zweimal, sondern nur noch einmal in der Woche Fußballtraining für den Kleinen in der Halle stattfinden kann. Und dass die Große jetzt Freitagsabends zum Handball geht und zwar in einer anderen Halle.

Und meine Frau sagte: „Das ist doof. Aber ich bin froh, dass mein Kind nicht mit 100 anderen Menschen in einer Turnhalle wohnen muss, kaum Privatsphäre, nur mit Stoffbahnen abgetrennt.“ Das begleitet mich.

Und ich habe seit zwei Wochen das Bild von Sofiia vor Augen. Sie hat es vor einigen Monaten gemalt. 15 Jahre alt, aus Korosten in der Nordukraine. Sie malt sich selbst im Keller eines Hauses, Schutz suchend vor den Panzergeschossen über der Erde. Das Bild, ihre Realität, ist schwarz-weiß - nur ihre Träume und Gedanken, eine kleine Blase aus Hoffnung und Sehnsucht, malt sie bunt.

Ich bin froh, dass meine Kinder nicht solche Bilder malen müssen. Ich denke an Geschichten von alten Menschen in Winsen, die mir von Bombennächten in Hamburg im 2. Weltkrieg erzählt haben.

Und ich denke an die jungen Soldaten im ersten Weltkrieg. Von der Schule in den Schützengraben und dort jämmerlich umgekommen. Krieg ist Wahnsinn – das sprechen wir heute an den Ehrenmahlen aus.

Es ist eine Zeit, in der kann man vom Glauben abfallen. Ich merke für mich, dass ich mich erst recht im Gebet an Gott wende – er möge den Wahnsinn beenden.

Wir halten die Erinnerung wach am Volkstrauertag. Und wir sprechen über aktuelle Kriege - in Trauer und als Mahnung.

Wir tun dies gemeinsam – und versuchen selbst, Dinge zu tun, die unsere Gesellschaft zusammenhalten

Dazu bitten wir Gott um seine Hilfe.